Es war ein bekanntes Spiel, das sich über Jahrzehnte hingezogen hat: Kaum erschien ein lange erwartetes Game, dauerte es nicht lange, bis findige Nutzer oder Cracker eine Möglichkeit fanden, den Kopierschutz auszuhebeln. Wurden vor dem Internetzeitalter noch Auszüge aus Handbüchern, Rätseldrehscheiben und andere analoge Hilfsmittel ausgetauscht sowie Spiele mit vorgeschalteten Cracker-Intros von Diskette zu Diskette kopiert, führten die Möglichkeiten des Netzes die "Warez"-Szene zu neuen Blüten.

Bisweilen traten die Cracker-Gruppen sogar um die Veröffentlichung von "0-days" gegeneinander an, also das Veröffentlichen eines funktionalen Cracks am Erscheinungstag des jeweiligen Games. Fallweise pflegten die Releasegruppen sogar Kontakt zu Quellen, die die Veröffentlichung gecrackter Ausgaben von Spielen noch vor ihrem Marktstart ermöglichten.

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Chefin von Cracker-Gruppe warnt

Doch das Tempo, in dem die Spielepiraten verschiedene Titel ihrer Schutzmechanismen entledigten, nahm in den vergangenen Jahren stetig ab. Digitale Vertriebsplattformen und ausgeklügelte Online-Aktivierungen erschwerten ihr Handwerk zusehends. Nun befürchten erste Szenemitglieder das Ende der Cracking-Ära.

Konkret ist es die Gründerin des berüchtigten chinesischen Cracker-Forums 3DM, "Phoenix", die davor warnt, dass es aufgrund des Fortschritts der Kopierschutztechnologien bald keine gecrackten Games mehr geben könnte. Ihre Stellungnahme steht damit diametral zum bisher gepflegten Dogma, dass sich jeder Kopierschutz irgendwie aushebeln lässt – zumal dieses "irgendwie" selbst unter großen Anstrengungen kaum mehr erreichbar scheint.

Herausforderung Denuvo

Auslöser dürften gescheiterte Versuche sein, den Action-Kracher "Just Cause 3" zu cracken. Der dort zum Einsatz kommende Kopierschutz des österreichischen Herstellers Denuvo hat die Cracker an ihre Grenzen gebracht, berichtet Torrentfreak. Das Spiel ist am ersten Dezember erschienen, bis heute konnte es nicht gecrackt werden. Noch länger schlägt man sich bereits mit der Fußballsimulation "Fifa 16" herum, die im September auf den Markt gekommen ist.

Auch frühere Versionen des Denuvo-Schutzes bereiteten den Crackern Kopfzerbrechen. Schon beim Rollenspiel "Dragon Age: Origins" benötigten sie fast einen Monat, um ihn zu überwinden. Letztlich waren es 3DM-Mitglieder, denen die Überwindung dieser Hürde gelang.

"Ich glaube immer noch, dass dieses Game kompromittiert werden kann", schreibt Phoenix nun über "Just Cause 3". "Aber gemäß den Trends in der Entwicklung des Kopierschutzes fürchte ich, dass es in zwei Jahren auf dieser Welt keine kostenlosen Spiele mehr geben wird."

Derzeit beißen sich die Cracker an "Just Cause 3" und "Fifa 16" noch die Zähne aus.
Foto: Just Cause 3

Zeitfrage

Das Problem der Piraten liegt hierbei auch im zeitlichen Faktor. Auch für aktuelle Schutzsoftware dürften sich mit der Zeit Schwachstellen finden lassen. Viele Spieler wollen jedoch möglichst schnell Zugriff auf neue Games. Ein nach mehreren Monaten erscheinender Crack beschert den Piraten folglich viel weniger Publikum und Anerkennung, die ein wichtiger Antrieb sind.

Alte Debatte

Über Kopierschutz wird schon lange kontrovers diskutiert. Lange setzten einige Hersteller auf die Implementation von Software, die tief in das System der Nutzer eindrang und mitunter zu schweren technischen Komplikationen führte. Probleme, die mit der flächendeckenden Einführung von Online-Aktivierungen deutlich abnahmen.

Viele Nutzer sehen sich allerdings durch derlei Systeme in ihren Rechten beschnitten. So stehen DRM-Mechanismen möglicherweise im Widerspruch zur legalen Privatkopie. Dazu fehlt es an Reglementierungen zum Erhalt von online zu aktivierenden Spielen und ihrer Multiplayer-Modi nach dem Abschalten der offiziellen Server durch den Hersteller.

Während einige Entwickler immer strengere Absicherungsmaßnahmen treffen, versuchen andere – insbesondere kleinere Studios – einen gegensätzlichen Weg zu gehen und ihre Games ganz ohne Kopierschutz zu veröffentlichen. (gpi, 8.1.2016)